Kulissen in letzter Sekunde

Daniele Misticoni beim Bauen der Hexenbüche.

Daniele Misticoni beim Bauen der Hexenbüche.

Es war ungefähr Mitte Oktober 2001, als bekannt wurde, dass wir für die Aufführung von «Schneewittchen und die sieben Zwerge» im Dezember des selben Jahres unbedingt noch zwei wichtige Kulissen anfertigen mussten, die vom Theaterfundus nicht zur Verfügung gestellt werden konnten: Die Hexenküche, wo sich die böse Stiefmutter in eine unscheinbare Bauersfrau verwandelt auf der einen Seite, und der Zauberspiegel, welcher der Königin stets verrät, wer die schönste im Lande sei, auf der anderen Seite.

Aus organisatorischen Gründen mussten diese Kulissen von Grund auf selbst gebaut werden, ohne dass man die übrigen Schlosskulissen gesehen hatte. Man konnte also bloss hoffen, dass die verschiedenen Kulissen am Ende nahtlos ineinander übergingen und nicht lächerlich oder gar fehl am Platz wirkten. Pius Willimann und Daniele Misticoni nahmen sich dieser Herausforderung an, und gemeinsam arbeiteten sie Wochenende für Wochenende in einer kalten Garage, die gerade genug Platz bot, um die beiden Bauten bis zur Fertigstellung unterzubringen.

Pius Willimann beim Besprayen von Zauberutensilien.

Pius Willimann beim Besprayen von Zauberutensilien.

Die Hexenküche wurde als erstes in Angriff genommen. Obwohl man zu Beginn noch keine Vorstellung davon hatte, wie das ganze am Schluss aussehen soll, begann man, Bretter und Balken zurechtzusägen und mit zeitweilig gefrorenen Fingern festzunageln. Im Laufe der Arbeit kamen immer mehr Ideen dazu, und bald wusste man, wie die Konstruktion schlussendlich auszusehen hatte: Eine grosse, schwarze Küche mit zahlreichen kleinen Ablageflächen, vielen bunten Fläschchen, Spinnweben und natürlich einem grossen, rauchenden Hexenkessel.

In intensiver Kleinarbeit wurden all diese Details schliesslich wunderschön umgesetzt und ausgearbeitet. Nun war nur noch ein Problem zu lösen: Wie sollte man die ganze Hexenküche, die inzwischen etwa zwei Meter hoch und drei Meter lang war, während einer Szene innert weniger Sekunden vor offenem Vorhang auf die Bühne bringen? Nachdem verschiedene Möglichkeiten ausführlich besprochen wurden, einigte man sich auf eine simple Lösung: Kleine Rädchen sollten es ermöglichen, die gesamte Geschichte während dem Stück auf die Bühne zu schieben – zusammen mit lautem Donner und gedämpftem Licht natürlich.

Die fertige Hexenküche

Die fertige Hexenküche

Der Zauberspiegel war keines Falls ein leichteres Unterfangen, denn es waren auch hier ein paar technische Finessen zu berücksichtigen: Wie konnte man den Spiegelgeist in der silbrigen Spiegelfläche erscheinen lassen? Etwa durch eine Projektion? Wohl kaum. Das wäre nur mit teuren Geräten und viel Know-How machbar gewesen. Doch es waren noch lange nicht alle Tricks ausgeschöpft. Geschickt wurde ein System entwickelt, das es dem hinter dem Spiegel stehenden Spiegelgeist ermöglichte, die Spiegelfläche nach hinten zu klappen und dadurch durch eine eingebaute Plexiglasfläche aufzutauchen - wieder verbunden mit speziellen Licht- und Toneffekten, die das Manöver des Schauspielers hinter dem Spiegel kaschieren sollten.

Der Hexenkessel

Der Hexenkessel

Unter enormem Zeitdruck wurde der Spiegel noch wenige Tage vor der Premiere aufwändig mit vielen kleinen Glasperlen, Goldverzierungen und stimmungsvoll flackernden Kerzen ausgestattet. Nun mussten die gewaltigen Möbel nur noch auf die Forum-Bünhe gebracht werden. Mit voll beladenem Auto wurden die relativ zerbrechlichen Kulissen - für ausreichende Statik war einfach keine Zeit mehr – bei leichtem Schneefall in den Kulissenraum des Forums Triengen transportiert, wo sie noch kleinere Ausbesserungen, Korrekturen und Reparaturen erfuhren und endgültig zusammengeschraubt wurden. – Wer jetzt meint, dies sei das Ende der Geschichte, der irrt: Es war noch ein langer Weg, bis die Zuschauer die beiden Kulissen in all ihrer Pracht auf der Bühne bestaunen konnte.

Der Zauberspiegel

Der Zauberspiegel

Wie war das genau mit dem Aufklappen des Zauberspiegels? Wie sollte die Hexenküche auf die Bühne rollen? Und war da nicht noch von einem rauchenden Hexenkessel die Rede? Unsere Trickspezialisten mussten ran! Allen voran war es Werni Frey, der eine Nebelmaschine auftrieb und auf die im wahrsten Sinne des Wortes «zündende» Idee kam, die Verwandlung der bösen Königin mit einem knallenden, flammenden Explosionskörper zu untermalen. Damit die Hexenküche endlich problemlos auf die Bühne gleiten konnte, musste man zuerst die kleinen Rädchen durch grössere Räder ersetzen, mit denen das Möbelstück leichter über den Bühnenboden bewegt werden konnte. Versteckt hinter der grossen, schwarzen Wand der Hexenküche waren zwei Personen, die für das Erscheinen der Küche «von Geisterhand» sowie den Rauch im Hexenkessel verantwortlich waren. Jetzt war nur noch zu klären, wie man wohl am besten die Feuerblitze zünden könnte. Schliesslich übertrug man die Verantwortung des «Zündmeisters» auf den Souffleur, der bei jeder Aufführung insgesamt drei Mal das Textbuch zur Seite legen und im richtigen Moment den spektakulären Lichtblitz zünden musste.

Zurückblickend hat sich der ganze Aufwand natürlich mehr als gelohnt. Immerhin hört man die Leute heute noch von der Hexenküche und dem furchterregenden Zauberspiegel erzählen. Dass die Kulissen natürlich nur durch die hervorragende Leistung unserer Schauspieler richtig zur Geltung kamen, versteht sich von selbst.

Hinter den Kulissen