Das Böse muss am Ende büssen

«Ein ausverkauftes Haus gibt Mumm», sagt Hansruedi Kaiser vor der Premiere ins Publikum. Seit 1992, als man mit «Aladin» die Märchentheatertradition begründete, gibts in Triengen im Zweijahresrhythmus Märchen zu sehen. Initiantin, Regisseurin und Bearbeiterin Roswitha Willimann setzt heuer auf Grimms «Schneewittchen und die sieben Zwerge». Ein Stück mit Bekanntheitsbonus. Die Premiere von vorgestern Sonntag war ausverkauft, eine Zusatzvorstellung bereits anberaumt.

Höfisch anmutende Musik aus der Provence stimmt das Publikum ein auf die Geschehnisse am Schloss und später im Wald hinter den sieben Bergen: Die eitle Königin will Schneewittchen loswerden, da der Spiegel es als schöner als sie erkennt. Missgunst, Arglist, Eitelkeit, abgrundtiefe Bosheit und der Tod: Themen, die dieses Märchen thematisiert. Und die Schadenfreude, wenn am Schluss die Böse büssen muss.

Die Trienger verstehen es trefflich, Atmosphäre zu schaffen. Licht, Ton, Spezialeffekte, stets im Dienste des Ganzen. Besonders gelungen ist die Darstellung des Innenlebens des Zwergenhauses, bloss durch die Veränderung der Beleuchtung, aber auch der Königin Hexenküche, wo diese ihre Giftmittel braut und sich rasch verwandelt in jene Bauersfrau oder Händlerin, die Schneewittchen mit Gurt, Kamm oder Apfel umbringen will, macht starken Eindruck. Die Kinder sind von Anfang an in dieses Märchentheater mit einbezogen, etwa wenn sie die Königin mit «Oh» begrüssen müssen und am Ende in den Zeugenstand gerufen werden, wenn es um die Verurteilung der Königin geht.

Da wird mitgelebt, mitgelitten und mitgefiebert. Die Zwerge, grösstenteils von Kindern gespielt, haben Grund zum Trauern, wenn Schneewittchen vermeintlich tot vor ihrem Haus liegt. Aber auch zu lachen gibt es zu Hauf ob den Bediensteten am Hof, vor allem, wenn der quirlige Oberhofmeister Gimpel in Wort und Tat in Aktion tritt. Die Regisseurin hat die Version von Roland Simitz einerseits etwas gestrafft, anderseits ergänzt. Dennoch: Zweieinhalb Stunden Theater sind vorab für Kleinere an der Grenze. «Wenn isch es Öppe fertig?», fragt nach zwei Stunden ein Knabe in der ersten Reihe. Doch am Schluss spendet auch er begeistert Applaus und ruft gar nach einer Zugabe. «Märchentheater entsprechen offensichtlich einem Bedürfnis», sagt Roswitha Willimann. In sechs Vorstellungen rechnen die Trienger mit 2000 Besucherinnen und Besuchern.

Das Trienger Märchentheater steht für traditionelles Theater, was Kulissen und Kostüme angeht. In zwei Jahren aber werde es sicher kein Grimmmärchen geben, sondern, so Roswitha Willimann, «vielleicht wieder ein orientalisches oder ein nordisches». Märchenhaft ist Laientheater immer durch die Verwandlung der Personen: In Triengen spielt beispielsweise ein Arzt den Hofjägermeister, der die Herzoperation am toten Reh durchzuführen hat, derweil ein Banker zum quirligen Oberhofmeister, eine Modeverkäuferin zur giftigen Königin mutiert. Neben den 15 auf der Bühne Agierenden, die seit August etwa 30 Proben absolvierten, sind etwa gleich viele Personen hinter den Kulissen mitverantwortlich für ein gutes Gelingen des Unternehmens Märchen.

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